Inzwischen bin ich seit fast einer Woche in Brasilien und da sich die Nachfragen per Email und SMS mehren werde ich hier zusammenfassend einen kleinen Bericht schreiben. Vieles kann man wirklich nicht beschreiben oder gar in Bilder fassen und ist dieser Bericht ist auch nur ein kleiner Einblick in das Leben im São Paulo Staat bzw. der Kleinstadt Vinhedo (welche mit ihren ~57.000 Einwohnern wirklich eine „Kleinstadt“ ist. Die nächste bekannte Stadt ist Campinas mit guten 2 Millionen und natürlich São Paulo mit seinen 20 Millionen Einwohnung (inkl. Randgebiete)).
Die ersten Eindrücke die man nach dem Verlassen des Guarulhos Airport hat sind sicher das ausgezeichnete Wetter (Brasilianer sehen das gerne anders, unter 20° ist hier Sauwetter) und die Größe des Landes. Ein Kurztrip an den Strand sind hier gern mal 300km, eine Reise in ein anderes Bundesland ist oft nur per Flugzeug möglich. Ziemlich schnell fallen dann aber auch die Unterschiede der Bevölkerung auf. Arm und Reich lebt hier direkt nebeneinander was man unschwer an vielem erkennen kann. Autos zum Beispiel. Wer reich ist fährt ein Importfahrzeug, nicht die in Brasilien produzierten Modelle wie zum Beispiel der VW Gol (scheinbar ist die Ausprache eines „f“ am Ende des Wortes eine schwere Hürde weshalb aus dem Golf ein Gol wurde).
Nach einigen Minuten Fahrzeit verlässt man das Stadtgebiet von São Paulo und kommt an den ersten Favelas vorbei wo der finanzielle Unterschied in der Bevölkerung noch deutlicher sichtbar wird. Selbst Brasilianer wagen sich nicht in diese ungenehmigten „Wohn“Gebiete hinein. Kriminalität ist neben Armut (was sicher stark verbunden ist) wohl das nächste große Problem in Brasilien. Wohlhabende leben in kleinen, abgeschlossenen Dörfern umgeben von hohen Mauern mit Stacheldraht. Bewaffnete Wachen stehen am Tor und kontrollieren die Ausweise, wer nicht von einem Anwohner eingeladen wird kommt nicht hinein. Doch selbst diese Vorkehrungen schützen nicht immer vor Überfall, Raub und Drogenhandel. Im Durchschnitt gibt es in Brasilien pro Tag 150 Morde, in den USA „nur“ 45 pro Tag.
Brasilien wächst, die Wirtschaft nimmt zu zeitgleich bleiben große Teile der Bevölkerung auf der Strecke. Die Straßen sind oft verdreckt und runtergekommen, an allen Ecken fehlt scheinbar das Geld. In den öffentlichen Schulen werden keine Fremdsprachen gelehrt, das tun nur teure Privatschulen, und es gibt nur eine unzureichende Absicherung gegen Arbeitslosigkeit. Gerade mal 6 Monate gibt es vom Staat Hilfe (ca. 30% des letzten Lohnes) und dann ist es vorbei. Rente gibt es ohnehin nur für die, welche mindestens 35 Jahre gearbeitet und eingezahlt haben. Unter anderem aus diesem Grund ist der familliäre Zusammenhalt in Brasilien noch sehr stark.
Gegessen wird gern und viel. Eigentlich immer gehören Bohnen und Reis dazu und natürlich Rindfleisch in allen Variationen. Als Vegetarier hat man es hier sicherlich nicht leicht und als Veganer verhungert man vermutlich einfach unbemerkt. Firmen sind gesetzlich in der Führsorgepflicht für die Angestellten, das bedeutet neben einem gesicherten Transfer zur Arbeit auch die Ernährung weshalb hier die meisten Betriebe eine gute und kostenlose Kantine anbieten.
Der Brasilianer liebt Zucker. Mir ist es nun schon mehrfach passiert dass ich einen „sugar free coffee“ bestellt habe und dann einfach nur weniger Zucker drin war. Normalerweise bleibt der Löffel darin stehen (was aber auch an der Stärke des Kaffees liegen könnte). Es wird laufend genascht, Kuchen und Kekse aber auch Chips oder Nüsse. Nach einem kleinen Stück Schokotorte schlitterte ich knapp an einer Überdosis Zucker vorbei während sich die Kollegen noch ein 2 weitere Stücke reindrückten (und wer mich kennt dürfte wissen dass ich gern auch mal Süßes esse).
Gearbeitet wird korrekt von 7:00 bis 17:30 mit einer Stunde Mittag. Es gibt viele Regeln zur Arbeitssicherheit, so werden zum Beispiel alle Autos auf dem Firmenparkplatz rückwärts eingeparkt (tust du das nicht kommt der Wachdienst vorbei und fordert sich zum umparken auf) und pro Jahr gibt es eine große Feuerübung inkl. Verlosung von Preisen im Anschluss. Das Resultat all dieser Schritte hängt stolz als Schild am Eingang zur Firma für alle sichtbar: Kein Arbeitsunfall seit 400 Tagen.
So, nun habe ich mal ein paar Punkte und Eindrücke angesprochen. Im Album habe ich noch einige Fotos hochgeladen und kommentiert. Einige davon habe ich mit dem Telefon gemacht, deshalb die schlechte Qualität. Wer weiteres wissen möchte darf mich gern nach meiner Rückkehr zum Essen einladen. ;-)
PS: Touri Nachtrag: Im Moment ist Frühling in Brasilien weshalb es noch nicht so „warm“ ist und es gerne mal „regnet“. Konkret bedeutet das ein paar Tropfen und Temperaturen zwischen 20° und 35°. Kann man also aushalten. Das Bier in Brasilien schmeckt wunderbar und auch den Capi kann man trinken obgleich man hier gern das Gefühl hat er bestehe nur aus Alkohol (was der Brasilianer dann gern mit einem „a bit too light“ kommentiert). ;-)
PS: HKP Nachtrag: Zum klettern gibt’s leider im Umkreis nichts. Die Nächsten Berge sind 300km weg dafür hat’s auch auf den (knapp) 3000er keinen Schnee. Dafür wäre perfektes Flugwetter – jeden Tag warm und Dauerwind.
Hi, bin schon neugierig, das Essen ist natürlich gebongt.
Da haun wir mal mit was bodenständig schwäbischem rein, vielleicht
Filderspitzkrautsuppe mit Schinkenravioli danach
Rinderfilet mit Pfefferrahm, oder vielleicht eine gute Landente mit
Steinpilzfüllung und winterlich gewürztem Rotkraut, hinterher
evt. Bratapfel mit Marzipanfüllung oder mal wieder Orangenpfannkuchen
mit Vanilleis und Grand Marnier Karamell mit Orangensalat.
Ich glaube daß wir da aber auch mit Stefan reden sollten.
Meld dich einfach mal wenn du da bist.
mfgw
NOI !!!! NOI !!!! OM GODDESWILLA NOI !!!!!
:-)